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Badezeiten
 
 
Prolibris-Verlag, Kassel
222 Seiten, Paperback, Originalausgabe 2009
ISBN 978-3-935263-64-1 /  12,00 EUR 





Inhalt


Ein schwieriger Fall für die ehrgeizige Hauptkommissarin Luise Wiese: eine Wasserleiche ohne Namen. Mord, so viel steht fest. Ausgerechnet Luises chaotische Zwillingsschwester Xenia kannte das Opfer, einen vermögenden älteren Herrn aus Bensersiel.
Die Ermittlungen führen Luise nach Langeoog – wo Xenia gerade Urlaub macht. Auch sie geht einer heißen Spur nach: Vor 200 Jahren soll ein Seefahrer durch Schmuggel reich geworden sein und sein Geld auf der Insel versteckt haben. Der entscheidende Hinweis auf das Versteck ist in Briefen des Lehrers Thoms Tönges enthalten, die er vor hundert Jahren als Kurgast auf Langeoog geschrieben hat. Aber die Briefe sind plötzlich verschwunden.
Beide Fälle scheinen miteinander verknüpft zu sein. Luise muss nun nicht nur einen Mörder überführen, sondern auch ihre Zwillingsschwester aus den Ermittlungen heraushalten. Die impulsive Xenia geht jedoch ganz eigene Wege und gerät dabei in große Gefahr.
Aus den Erzählungen von Xenia, Luise und dem Lehrer Thoms ergibt sich ein facettenreiches Bild von Langeoog – gestern und heute.

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Gespräch mit der Autorin

Badezeiten. Merkwürdiger Titel. Was ist damit gemeint?

Man kann auf verschiedene Arten Baden gehen. Zur rechten und zur falschen Zeit, real und virtuell, gewollt und ungewollt, zum Beispiel.

Worum geht es in dem Krimi?

Vor meinem Herbsturlaub 2008 auf Langeoog holte ich, um mich einzustimmen, voller Vorfreude meine alten Reiseführer heraus. Da las ich im einschlägigen Handbuch von Roland Hanewald den folgenden denkwürdigen Satz, dem ich bisher keine Bedeutung geschenkt hatte: "Man darf ebenfalls annehmen, dass es reine Bosheit war, die Tjark Otten Leuß dazu brachte, Mitte des 19. Jahrhunderts sein Wissen um das Versteck eines großen, während der Franzosenzeit durch Schmuggel angehäuften Goldschatzes mit ins Grab zu nehmen. Vielleicht liegt der Mammon noch irgendwo auf der Insel verbuddelt. Schaufel nicht vergessen, Leute!" Die Idee, dies in einem Krimi zu verwenden, hat mich plötzlich fasziniert. Ein paar Fragen waren zu klären, beispielsweise: Was auf der Insel ist so alt, dass dort etwas aus der Zeit der Kontinentalsperre versteckt sein könnte? Wie könnten heute lebende und in der Story agierende Menschen von den Lebensbedingungen um 1814 erfahren? Schließlich wollte ich keinen historischen Krimi schreiben. Um 1810 war außer Schmuggel wohl auch nicht viel los, die Leute bewirtschafteten ihre Parzellen, sorgten dafür, dass ihre Tiere genug zu futtern hatten, fingen im Watt mit Netzen Granat oder traten auch mal auf einen Plattfisch, den sie dann mit nach Hause nehmen konnten. Das war es auch schon. Ich fand nichts Außergewöhnliches, das mich inspiriert hätte. Wohingegen mich Berichte und Fotos über die ersten Touristen auf der Insel immer wieder amüsieren, die interessanten Bademoden, die getrennten Strände. Deshalb verfiel ich auf die Idee, den Lehrer Thoms Tönges Bernsen zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Kur auf Langeoog machen zu lassen, und ihn als Vermittler zwischen der Schmugglerepisode und unserer heutigen Zeit einzusetzen. Möglicherweise versteckte Reichtümer sind natürlich nur ein Handlungsstrang im Buch, daneben gibt es andere, die in der heutigen Zeit spielen. Wer übrigens mehr über die historische Entwicklung Langeoogs herausfinden möchte, dem seien weiter unten verschiedene Bücher empfohlen, die z.T. auch in der Spöölstuv ausgeliehen werden können.

Im Krimi ermitteln wieder die Zwillinge Luise und Xenia Wiese. Ziehen die beiden dies Mal an einem Strang?

Es scheint anfangs eher so, als würden sie ein Wollknäuel von den verschiedenen Enden her auf- oder abwickeln. Wie die Verknüpfungen im einzelnen aussehen, wird hier natürlich nicht verraten. Es gibt auch zahlreiche Knoten. Konkret habe ich übrigens in dem darauf folgenden Winter-Langeoog-Kurzurlaub mit meiner Schwester weitere Ideen für meine Kriminalgeschichte gesammelt. Da hatten wir wie Xenia und Luise ein gemeinsames Pensionszimmer...

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Trailer



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Leseprobe

Montag, 6. Oktober 2008
Die untergehende Sonne spiegelte sich mit ihrer riesigen Aura orangerot im nassen, glatt gespülten Sand. Es war Ebbe, rhythmisch rauschend zogen sich die Wellen zurück und verbreiterten den hell glitzernden Streifen. Ich hatte es geschafft. Die Bundesbahn macht es einem nicht gerade einfach, von der Mitte Deutschlands, nämlich Kassel, in den hohen Norden zu gelangen. Über neun Stunden Fahrt und viermaliges Umsteigen - mit zwei Koffern - in diverse Züge, Bus, Fähre, Inselbahn! Nun stand ich versöhnt mit allen Widrigkeiten am Strand von Langeoog.
Zwei Meter neben mir beschloss eine Silbermöwe, ein abendliches Bad zu nehmen. Unerschrocken stakelte sie auf den Ufersaum zu, ließ ihre rosa Füße überspülen, mich noch einmal ihr schillerndes Spiegelbild auf dem nassen Sand sehen und schwamm wenig später dem offenen Meer entgegen. Brrr. Ich hatte eben mal kurz die Zehen ins Wasser gehalten. Frieren Vögel eigentlich nicht?
Schade, dass Milan nicht mitkommen konnte. Aber sein Restaurant war ihm wieder einmal wichtiger als ein gemeinsamer Urlaub. Nun, wenn der gnädige Herr was Dringenderes zu tun hat, kann ich mich auch allein amüsieren! Eigentlich war es sogar besser, dass Milan zu Hause geblieben war. Zeigte er doch für meine neuesten Urlaubspläne wenig Verständnis. Verschollene alte Reichtümer wiederfinden - das hörte sich ja an wie Schatzsuche auf Langeoog! Jetzt sei ich ja wohl total übergeschnappt! Mein Handy spielte die kleine Nachtmusik.
"Hallo, meine Süße! Hast du die Golddukaten schon gezählt?"
"Du wirst sehen, Milan, ich werde Recht behalten."
"So wie ich übermorgen sechs Richtige im Lotto gewinne. Mit Superzahl. Und das, obwohl ich gar nicht spiele."
"Mach dich nur lustig. Dann teile ich eben nicht mit dir! Ich werde Herrn Neupert hier so bald wie möglich besuchen. Er hat mich ja sogar dazu aufgefordert. Vielleicht überlässt er mir die alten Briefe zum Kopieren. Und wenn nicht, dann werde ich ihn nach allen Regeln der Kunst ausquetschen."
Das dürfte kein Problem für mich sein. Befragungen sind sozusagen mein Spezialgebiet. Eine Krimischriftstellerin weiß doch, wovon sie schreibt. Auch wenn sie noch keinen Roman fertiggestellt, geschweige denn veröffentlicht hat. Und schließlich ist meine Zwillingsschwester Luise vom Fach: die jüngste Kriminalhauptkommissarin in Kassel. Da bekommt man so manches mit.
Aber auch Milan war mit einem Rat zur Stelle: "Nimm ihm eine Kiste sehr guten Wein mit. In vino veritas. Nach der vierten Flasche hast du eine echte Chance."
Tatsächlich hatte Neupert bei seinem Besuch in Milans La Paloma nicht gerade wenig getrunken. Mindestens sechs Gläser habe ich ihm serviert. Und drei Gänge hat er verputzt, den Küchenchef über den grünen Klee gelobt und auch noch ein fettes Trinkgeld gegeben. Aber ich wollte mehr, ich wollte den "Schatz", von dem in den alten Briefen die Rede war und von dem er mir in seiner weinseligen Stimmung erzählt hatte. Neuperts Telefonnummer und die vom Historischen Institut in Bensersiel hatte ich natürlich gleich nach meiner Ankunft nachgeschlagen. Aber weder an seinem Privat- noch an seinem Dienstanschluss hatte ich ihn erreicht.
"Was macht die Renovierung?"
"Hör uff!", stöhnte mein Lebensgefährte. "Da ist noch eine zweite Frischwasserleitung marode. Die muss ebenfalls getauscht werden, sonst steht nicht nur das Damenklo, sondern auch noch die Küche unter Wasser."
"Dann lass doch die Gäste in deinem Restaurant von einem Party-Service beliefern, bis du wieder an die Kochtöpfe kannst."
Das war gemein, ich gebe es ja zu. Milan kocht super und strebt den ersten Stern an. Seinen guten Ruf würde er sich nicht durch Zulieferer zerstören lassen, die nicht seine Klasse hatten. Selbstverständlich war das Restaurant geschlossen für die Dauer der Reparaturarbeiten.
Ich hörte, wie er die Luft anhielt und dann langsam ausatmete.
"Bist du sauer, dass ich nicht mitkommen konnte?"
"Ach woher? Auf der freien Doppelbetthälfte kann ich wunderbar meine Schatzkarte entfalten."
Ich schob das Handy in die Jackentasche zurück. Mitunter sind Beziehungen nicht ganz so einfach wie in der Werbung.
Mit leisem Gluckern überholte eine schaumbekrönte Welle ihre Vorgängerin. Eine Brise fuhr mir durch die Haare, und ich schmeckte Salz auf den Lippen. Am Meer entspanne ich schnell. Das dynamische Branden, von Wind und Wasser immer neu gestaltete Sandlandschaften unter einem weißblau-türkisen Himmel schaffen Momente von Zeitlosigkeit, in denen ich regelrecht versinke. Ich kenne keine andere Landschaft, die eine solche Wirkung auf mich hat. Eine Weile ging ich am Ufersaum entlang. Ein paar Federn, hier und da auch ein Stück Müll. Viele Muscheln. Herzmuscheln mag ich am liebsten.
Mittlerweile war die Sonne abgetaucht. Und doch war die Atmosphäre noch lichterfüllt, auch wenn sich rosa und violette Schattierungen als Vorboten der tiefblauen Nachtfarben ausbreiteten. Ich fröstelte. Morgen würde ich mir einen dicken Sonnenuntergangspullover anziehen. Ich machte mich auf den Rückweg und stapfte zum Deichschart, den ich nur mühsam in der Dämmerung wiederfand. Als ich die Dünen durchschritt, wurde das Meeresrauschen leiser. Dafür stieg mir der Geruch reifer Sanddornbeeren in die Nase. Mein Magen knurrte.


 
  Samstag, 11. Oktober 2008
 
 

Da hatte meine Schwester aus dem Museum eine Münze abgezweigt, die mehr als tausend Euro wert war! Unglaublich! Dafür musste eine Polizistin lange schuften. Wahrscheinlich war Xenia der Ansicht, dass dort, wo eine Münze war, leicht auch noch eine zweite oder dritte sein könnte. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht noch mehr illegale Aktivitäten entwickelte und mir womöglich in meine Arbeit pfuschte ...


Was war ich doch für ein dummes Huhn! Ich hätte mich ohrfeigen können, wenn ich denn meine Hände freigehabt hätte. Ich war mit einem seidenen Tuch geknebelt, das nach Rasierwasser schmeckte. Igitt. Für die Hände hatten sie einen Wollschal verwendet, mit dem sie mich an den Stuhl fesselten, auf den sie mich unsanft geschubst hatten. Sie diskutierten gerade, wie sie meine Füße befestigen sollten, als es klingelte. So ließen sie mich allein zurück. Draußen im Flur begrüßten sie den unwillkommenen Besucher. Ich meine, ihnen war er nicht willkommen, aber ich habe mich noch nie so sehr gefreut, die Stimme meiner Schwester zu hören.
He, Luise, spürst du nicht, dass ich hier bin? Durch die Zimmertür sendete ich telepathische Hilferufe. Leider nicht sehr erfolgreich. Schritte entfernten sich im Flur, gefolgt vom Klappern der Hundekrallen auf den Dielen. Eine Tür wurde geschlossen. Gedämpfte Stimmen. Hoffentlich war Luise vorsichtig. Immerhin eine klassische 2:1-Situation. Obwohl: Fricko war dabei.
Ich zerrte an meinen Fesseln, ein hoffnungsloses Unterfangen. Wolle erreicht mit Synthetikbeimischung erstaunliche Festigkeit. Meine Handgelenke waren bestimmt schon rot, die Blutzirkulation ließ ohnehin zu wünschen übrig. Also anders. Ich musste aufstehen. Stellen Sie sich das nicht zu einfach vor! Die Sitzgelegenheit war solide Handarbeit aus deutscher Eiche. Verdammt schwer. Ich probierte eine Weile herum, kam aber nicht aus meiner geknickten Haltung heraus und konnte nicht genug Schwung entwickeln, den Stuhl nach oben zu reißen. Erst als ich beide Beine zur linken Seite stellte, schaffte ich es mühsam. Beinahe wäre ich umgefallen, weil die schwere Holzkonstruktion auf dem Rücken die Gleichgewichtsverhältnisse gefährlich verschob. Mit einiger Anstrengung schaffte ich es, die Balance zu halten.
Ziemlich ungelenk bewegte ich mich zur Tür. Sie ging nach außen auf. Ich musste nur die Klinke hinunterdrücken. Irgendwie. Das Stimmengewirr war wieder lauter. Offensichtlich war meine Schwester auf dem Sprung. Luise, bleib!, flehte ich innerlich ...

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Literatur zu den historischen Hintergründen
Für alle, die wissen wollen, was wirklich passiert ist und was hätte passieren können:

Bielefeld, Rudolf: Ostfriesland, eine Heimatkunde, 1924, Nachdruck 1975 im Verlag Schuster, Leer (ausleihbar in der Spöölstuv)
Blunck, Hans Friedrich (Hg): Nordseesagen, Loewe-Verlag Bayreuth, 1982, (ausleihbar in der Spöölstuv)
Hoffrogge, Peter: Verwehte Spuren, Strandungen auf Langeoog; Verlag Mettcker & Söhne, Jever, 1989
Kleine Bettlektüre für wetterfeste Friesen von Borkum bis Sylt von Helge Reffelt (Hrsg.), Scherz-Verlag, München, 1977 (ausleihbar in der Spöölstuv)
Lüpke, W.: Ostfriesische Volkskunde 1925, Nachdruck 1972 im Verlag Schuster, Leer, (ausleihbar in der Spöölstuv)
Maaß, Almuth: Wasser, Wind und Sonne, Ausflüge auf die ostfriesischen Inseln vor 100 Jahren, Wartberg-Verlag; Gudensberg, 2005
Meier, Hermann: Ostfriesland in Bildern und Skizzen, Land und Volk in Geschichte und Gegenwart, 1868, Nachdruck 1979 im Verlag Schuster, Leer, (ausleihbar in der Spöölstuv)
Obstfeld, Ingo (Zusammenstellung): Langeoog - ein Rückblick in Bildern, Brune-Mettcker Verlags-GmbH, Esens 3. Auflage 2005
Tongers, Habbo: Grüße aus Langeoog, Burchana-Verlag; Borkum, 1982
Tongers, Habbo. Langeoog - Ansichten und Einsichten; Burchana-Verlag, Borkum, 1995
Im Internet, unter www.rhaude.de kann man eine Menge über die Lebensbedingungen in Ostfriesland zur Zeit der Kontinentalsperre herausfinden. Von dieser Website stammt auch der Text des Befehls, der (gekürzt) am Anfang des Buches steht.

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Stammbaum der Familie Bernsen
Hier ein kleiner Einblick in die leider völlig unbekannte Langeooger Schifferfamilie Bernsen ...

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