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Trau deinem Zwilling nicht
 
 
Prolibris-Verlag, Kassel
207 Seiten, Paperback, Originalausgabe 2007
ISBN 978-3-935263-54-2 /  9,90 EUR 

Inhalt

Luise Wiese ist Kassels jüngste Kriminalhauptkommissarin. Als ein bekannter Kasseler Psychiater ermordet wird, hat sie den Fall schnell gelöst: Der Sohn ist der Mörder, denkt sie. Der entkommt jedoch der Polizei. Genau vor der Haustür ihrer Zwillingsschwester Xenia. Die impulsive Krimischriftstellerin gerät dadurch nicht nur an Stoff für einen neuen Roman ...
Mit viel Humor beschreibt die Autorin Klara G. Mini das Wettrennen der ungleichen Zwillingsschwestern, die beide mit sehr unterschiedlichen Zielen den Fall aufklären wollen.

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Hörprobe: Klara G. Mini liest das 1. Kapitel



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Leseprobe: Auszug aus dem 3. Kapitel

Vorgeschichte:
Der von der Polizeihauptkommissarin Luise Wiese dringend des Mordes verdächtigte Milan Telau hat sich nach seiner Flucht ausgerechnet die Wohnung ihrer Zwillingsschwester Xenia als Unterschlupf auserkoren. Als Xenia vom Einkauf bei Metzger Maier zurückkehrt, trifft sie auf den ungebetenen Gast.

Mein Herz legte einen Sprint hin, während meine Beine wie gelähmt waren.
„Leg die Tüte auf den Tisch, und setz dich.“
Offensichtlich hatte er nicht vor, mich gleich zu erschießen.
„Das ist Rinderhack, das wird schlecht in der Wärme“, wagte ich einen zaghaften Protest.
Mit der Knarre winkte er zu meinem Küchensofa hinüber.
„Setzen und Klappe halten.“
Folgsam setzte ich mich. Und starrte in die Mündung der Pistole und auf die Hand, die sie hielt. Kräftig, mit sehnigen Fingern und vielen blonden Härchen. Um das Handgelenk schlackernd eine Handschelle. Mein Blick wanderte weiter über einen ramponierten matschfarbenen Lederjackenärmel. Der Arm darin schien erstaunlich lang. Irgendwie der ganze Kerl. Und erschreckend muskulös und kräftig. Jeans, Sweatshirt, Dreitagebart. Blaue, kalt blickende Augen. Die Nase sah aus, als sei sie irgendwann mal gebrochen gewesen. Das Kinn kantig, die Zähne fest aufeinander gebissen. Blonde, dichte und wirre Haare, die er mit der freien Hand, ebenfalls mit einer Handschelle geschmückt, durchwuschelte.
Nanu, eine Verlegenheitsgeste?
„Was soll der Scheiß?“, entrüstete ich mich, „platzt hier rein, fuchtelst mit einer Knarre rum. Zieh wenigstens die Schuhe aus, du saust mir die Bude ein.“
Einer der schon erwähnten Krimiheldinnen war es auf diese Weise gelungen, den Bösewicht für einen Moment abzulenken. Der reichte, um den Küchenstuhl hochzuheben, auszuholen, und ihn auf dem Arm des Mannes niedergehen zu lassen. Den Krimi hatte aber mein Gegenüber wohl auch gelesen.
Er fixierte mich kalt: „Du bist ja selber mit Hausschuhen draußen gewesen und läufst jetzt hier rum.“ Die Hand mit der Knarre schwankte nicht.
„Dann hau ab und lass mich in Frieden!“
„Das habe ich auch vor, wenn der Betrieb da draußen etwas nachlässt.“
Es klang immerhin so, als würde ich dieses Abenteuer überleben. Was angesichts der Lage schon sehr viel war! Das Telefon klingelte.
„Du gehst nicht dran!“
„Und ob ich dran gehe! Ich bin um diese Zeit am Telefon verabredet.“ Ich reckte meinen Arm Richtung schnurloses Gerät auf dem Küchentisch. Einer der schon erwähnten Krimiheldinnen war es gelungen, dem Gesprächspartner am anderen Ende eine kryptische, aber lösbare Geheiminformation zukommen zu lassen, und eine Weile später war die Bude umstellt, und der Typ wurde gefasst.
„Wenn du ein falsches Wort sagst, schieße ich“, warnte Blondschopf.
Ich drückte auf den grünen Knopf: „Wiese!“ So melde ich mich sonst nie! Und schon gar nicht so amtlich! Meist sage ich „Hallo“ oder „Hier ist die Xenia.“
„Xenia, bist du’s?“ Meine Schwester. „Pass mal auf, Chaos. Bei dir um die Ecke ist ein gefährlicher Straftäter ausgebrochen. Mach bloß die Tür nicht auf, wenn’s klingelt.“
„Ihr wolltet doch zu mir kommen!“ Nicht besonders kryptisch, ich weiß. Normalerweise bin ich nicht auf den Kopf gefallen. Aber mit der auf mich gerichteten Knarre hatte ich gewissermaßen kreative Ladehemmung. Genutzt hätte es aber sowieso nichts. Meine Schwester hatte den Hörer schon wieder auf die Gabel geschmissen. Eines ihrer berüchtigten Kurztelefonate. Schade!
„Wann?“
Ich guckte irritiert.
„Wann wollen die kommen?“
„Oh, jetzt gleich. So in drei Minuten“, probierte ich mein Glück.
„Und wer?“
„Freunde.“
„Wenn du die Tür aufmachst, bist du tot!“
Drei angespannte Minuten und noch mal ungefähr zwei mal drei Minuten vergingen.
„Du willst mich verarschen!“
„Quatsch! Wahrscheinlich etwas schwierig, im Moment einen Parkplatz zu finden. Tee?“
„Was?“
„Ob du einen Tee willst? Ich habe jedenfalls Durst!“
Unschlüssig zuckte die Pistole.
Ich stand auf und ging zum Wasserkocher. Füllte Wasser ein. Einer Krimiheldin war es gelungen, den Täter mit kochendem Wasser zu übergießen. Ich wusste nicht, ob ich dazu in der Lage wäre. Vielleicht, wenn ich mich extrem bedroht fühlen würde. Das war aber eigentlich nicht mehr der Fall. Irgendwie erschien mir der Blondschopf immer harmloser. Vielleicht ein wenig auf den Arm mit der Knarre schütten. Nur dass er sie fallen lässt. Dann schnell rauslaufen.
„Wie heißt du denn eigentlich?“, machte ich Konversation. Reden ist in solchen Fällen immer gut, denn Männer können nur eine Sache gleichzeitig. Denken oder Sprechen oder sich auf die Knarre konzentrieren. Da sind Frauen mit ihren multi-tasking-Fähigkeiten klar im Vorteil. Ich traute es mir jedenfalls durchaus zu, zu reden und Teewasser zu verschütten, wenn ich mich denn traute. Für christlich sozialisierte Menschen ist so was eine echte Hürde! Wenn dich einer auf die linke Wange haut, dann halt ihm noch die rechte hin! Auch, wenn ich in der Grundschule Paulchen, weil er mich geschubst hat, zwei Milchzähne ausgeschlagen habe, ist das noch kein Beweis dafür, dass ich gegen diese Botschaft resistent wäre. So etwas sitzt tief!
„Wenn du mit dem Wasser rumplanschst, schieße ich“, warnte Blondschopf.
Okay, also alles in die Kanne: „Du kommst vielleicht auf Ideen!“, entrüstete ich mich. „Geh mal zur Seite! In dem Schrank sind die Tassen.“ Auch die alte gusseiserne Pfanne von Oma Xenia. Die auf die Rübe gedonnert, gäbe mindestens eine Gehirnerschütterung!
 

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